Türchen 6.
Was lange währt...
„Obwohl ich es ziemlich übel für ihn fand, dass er jetzt noch rund vierzehn alberne Jahre vor sich hatte…“ Jacob Black, Breaking Dawn, Buch zwei, Seite 172
Hinter Türchen Nummer 6 verbirgt sich heute ein kleiner Weihnachtsoneshot aus dem Twilight-Universe auf euch ;)
Sicher wisst ihr schon, um wen es gehen könnte und wir hoffen, dass ihr Spaß mit dem OS habt und vielleicht sogar nochmal ein bisschen Inspiration für euren eigenen Oneshot bekommt.
Denn immer daran denken - in 9 Tagen ist Einsendeschluss! ;)
Nikolaus Oneshot
Was lange währt...
6.Dezember.
LaPush, Olympic Halbinsel.
Schnee war im Winter nicht unüblich. Überhaupt nicht.
Aber das hier – das konnte man schon nicht mehr Schnee nennen.
Das hier war eine vertikale Lawine.
Quil Ateara tappte mit gesenktem Kopf durch den Schneesturm auf den Wald zu.
Den echten Wald und nicht den, der lautlos auf die ganze Olympic Halbinsel nieder ging und alle Gerüche so stark unter sich begrub, dass das Rudel wie ein Haufen aufgekratzter Kinder wirkte.
Sie hatten einfach keine Anhaltspunkte mehr, weder über Freund noch potenzielle Feinde und auch wenn schon lange nichts Schlimmes mehr geschehen war – Quil lief es bei der Vorstellung, dass er eine Gefahr nicht rechtzeitig riechen konnte, kalt den Rücken hinunter.
Blinzelnd hob er den Kopf und starrte mit seinen Wolfsaugen durch den dichten Vorhang, der im stockdunklen Wald wie ein grauer Ascheregen wirkte.
In ein paar hundert Metern Entfernung konnte er zwischen den Bäumen ein kleines Haus ausfindig machen.
Viel weiter ab vom Schuss als alle anderen Haushalte des LaPush Rudels, nur ein paar Meter entfernt von der Grenze des alten Cullen-Clans.
Selbst diese spezifische Markierung konnte Quil nur noch erahnen, während er auf die Hütte zuging und das braune Backpapier unter seiner Jacke zurechtrückte.
Auf der anderen Seite waren die Gerüche der Vampire schon lange verschwunden.
Nun, bis auf den einen, eben…
Ein Knurren löste sich unbewusst aus seiner Brust, als er den Blick abermals durch das dichte Unterholz schweifen ließ, aber natürlich sah er nichts und niemanden.
Er war einfach zu gestresst, zu aufgekratzt, zu nervös.
Was ihm auf diesem Weg noch nie passiert war.
Sein Schritt beschleunigte sich automatisch und ehe er ein zweites Mal tief die Luft einsog und witterte, stand er vor der Tür des noch nach frischer Farbe duftenden Häuschens.
Claire.
Sie lebte hier. Seine Claire.
Er konnte sie hören, direkt hinter der dunkelgrünen Tür, die jetzt nur noch schwarz wirkte.
Ihr Herzschlag, ihre sanften Schritte auf dem Boden.
Manchmal verfluchte er sein genaues Gehör…
Vor drei Jahren war Claire nach LaPush gekommen – und geblieben.
Sie ging auf die Schule im Reservat und lebte bei Emily und Sam, passte manchmal auf ihre Kinder Amanda und Sam Junior auf.
Und er war die ganze Zeit in ihrer Nähe gewesen.
Quil blinzelte in den Himmel hinauf, die schweren Wolken hingen grau-gelblich über ihm.
Seit einem Jahr wohnte Claire nun schon hier im Wald.
Sie hatte ihr eigenes Zuhause haben wollen, ein bisschen Abseits, um ihre Ruhe zu haben.
Emily und Sam hatten einen Blick gewechselt und dann genickt.
„Natürlich kannst du ausziehen“, hatte Emily sofort geantwortet und Amanda auf ihre Hüfte gesetzt. „Wo willst du denn hin?“
Quil hatte die Luft angehalten, sein Herz hämmerte wie ein Presslufthammer in seiner Brust, obwohl er wusste, dass Claire nicht weit weg gehen würde.
Eben nur … in ein anderes Haus.
Das versuchte er sich zumindest hartnäckig einzureden, denn ihnen allen schien nichts mehr sicher zu sein, was die Prägung anging.
Wenn sie nicht gewusst hatten, dass auch Halb-Vampire geprägt werden konnten, wie sollten sie dann wissen, dass es wirklich eine Verbindung für die Ewigkeit war?
Claire hatte tief Luft geholt und die Fäuste geballt.
„In den Wald“, sprach sie dann prompt aus, reckte das Kinn, um besonders erwachsen zu erscheinen. Was jedoch den gegenteiligen Effekt hatte. „Irgendwo in den Wald. Ein bisschen Abstand.“
„Sollen wir dir eine Hütte bauen?“, fragte Sam und hielt Amanda einen Finger hin, den die Kleine sofort begeistert mit ihrer winzigen Hand umschlag und vor Freude quietschte.
In Claires Zügen stand für einen Moment Verblüffung, die erahnen ließ, dass sie mit einem Funktionieren ihres Plans nicht gerechnet hatte.
„Das könntet ihr machen?“, fragte sie, begierig an Sams Lippen hängend.
Der Alphawolf nickte. „Kein Problem. Such dir eine geeignete Stelle aus und wir bauen dir eine kleine Hütte.“
Quil hatte genau gesehen, wie das Leuchten in ihren Augen auftauchte und seine Erleichterung strömte wie ein Tsunami durch seinen Körper.
Noch besser ging es ihm, als sie ihn ansah und mit einem breiten Lächeln, dass er so sehr liebte, fragte: „Kommst du mit, Quil? Ich muss mir mein neues Zuhause aussuchen.“
Danach waren sie den halben Tag durch den Wald gelaufen und hatten nach einer geeigneten Stelle gesucht…
Vierzehn Jahre, dachte sich Quil, als er aus der Erinnerung auftauchte. Vierzehn Jahre hatte er gewartet, war der Spielkamerad, der Bruder gewesen.
Vierzehn Jahre waren genug. Perfekt.
Er atmete noch einmal tief ein.
Seine Sorgen waren unbegründet und seine verdammten Ängste sollten es eigentlich auch sein, aber er hatte sich damit abgefunden.
Einfach so.
So war es eben mit der Prägung.
Er hob die Faust und klopfte an die Tür.
Angespannt horchte er auf Claires Herzschlag, der kurz stockte und ihre Haare, die über ihre Schultern strichen, als sie den Kopf zur Tür wandte.
Er spannte sich beim Klang von Haaren, die über Haut strichen, an und wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass sie die Tür öffnete.
Trotzdem kitzelte ihr frischer Geruch seine Nase und er kam nicht dagegen an, ihn noch tiefer in seine Lungen zu saugen.
Jeder, der glaubt, dass der Einfluss der Prägung jemals abnimmt, ist ein Vollidiot!
Quil. Das ist Quil!
Nervös warf ich einen Blick in den kleinen Spiegel, der neben der Tür hing und ordnete meine Haare, bevor ich den Schmuck, den ich gerade auf meinem kleinen Tannenbaum verteilt hatte, fallen ließ.
Mit einem letzten Blick stellte ich fest, dass er weder hübsch noch hässlich war.
Nur schrecklich rot, aber darum konnte ich mich jetzt nicht mehr kümmern.
„Komme!“, rief ich in Richtung Tür, ehe ich ein paar Tannennadeln unter den Teppich fegte und mit dem Fuß aufstampfte, um die verräterischen Falten zu vertuschen.
Egal, wann ich anfing – ich schaffte es nie rechtzeitig alles fertig zu bekommen.
Ein Glück, dass Quil immer geduldig vor der Tür wartete und nicht rein stürmte wie Jacob, dieser Blödmann!
Mit ein paar Schritten hatte ich mein kleines Wohnzimmer durchmessen und zog noch ein letztes Mal an meinem Pullover.
Auf drei, Claire. Eins, zwei-
„Hi.“
Quil grinste und die Schneeflocken in seinem braunen Haar glitzerten. „Hey, Claire-Bär.“
Mein alter Spitzname ließ mich all die Spannung des Tages vergessen.
Die Hektik der Vorbereitung, die Nervosität.
Stattdessen baute ich mich vor Quil auf, doch er lachte nur und ließ sich selbst ins Haus.
„Ich bin jetzt fast 18, Quil Ateara. Das „Bär“ kannst du dir also langsam sparen.“
Immer noch lachend fuhr sich mein bester Freund - seitdem ich denken konnte - durch die nassen Haare und zog seine dünne Jacke aus.
„Wie du willst“, sagte er nur, dann hielt er mir auch schon ein flaches Stück Papier hin.
Ich sah auf seine Finger hinunter und mein Herz machte einen weiteren Satz.
„Ein Geschenk?“
Aus den Augenwinkeln konnte ich ihn nicken sehen. „Nur was kleines für die Kleine.“
Der Witz ließ meine Verlegenheit verpuffen und ich nahm es ihm aus der Hand.
„Ich bin fast genauso groß wie du“, protestierte ich, auch wenn wir beide wussten, dass das nicht stimmte.
Er beließ es dabei, sagte nur „Fröhlichen Nikolaus.“
Vorsichtig zog ich an dem Backpapier und es fiel knisternd zu Boden, als die kleine Glasskulptur darunter hervor kam.
Eine Skulptur eines Wolfes und eines Mädchens, das ihm bewusst und ohne Angst die Hand entgegen streckte.
So vertraut, dass es intimer wirkte, als es eigentlich sein sollte.
Dazu glitzerte es in allen Regenbogenfarben, die Lichter des Tannenbaums reflektierten sich darin.
Es war nicht größer als eine Schneekugel und doch konnte ich jedes noch so kleine Detail erkennen.
„Oh“, entfuhr es mir und ich strich vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. „Das ist … wirklich hübsch.“
„Wirklich hübsch?“, fragte Quil lachend und hob das Papier auf, um es in den Mülleimer zu werfen. „Ist das jetzt gut oder schlecht?“
Ich ging zum Weihnachtsbaum hinüber und stellte die Skulptur auf den kleinen Nebentisch, wo es den Glanz an die Holzwand warf und sofort von jedem gesehen werden würde, der die Tür herein kam.
„Es ist wundervoll. Brillant. Einfach … sehr schön.“
„Gut“, vibrierte Quils tiefe Stimme direkt hinter mir und ich drehte mich um. „Dann hab ich mich also richtig entschieden?“
„Tust du das nicht immer?“, fragte ich, ein bisschen atemlos von seiner Nähe.
Er trug nur ein T-Shirt, obwohl es eisig war, selbst mit dem Kamin, in dem ein Feuer züngelte, doch meinem besten Freund war nie kalt.
Ein Schauer rieselte mir über die Haut und ich hob den Kopf.
Jetzt, Claire. Jetzt, jetzt, jetzt, jetzt!
Quils Augen lagen im Schatten, aber ich wusste, wie er mich ansah.
Es war wie ein Band, das mich zu ihm zog. Etwas, dass ich mir nicht erklären konnte und vor dem ich immer Angst gehabt hatte.
Bis jetzt.
Ich wollte mich nicht länger dagegen wehren, ich wollte wissen, was das hier war.
Was es mit mir, Quil und all dem anderen auf sich hatte.
Und einen großen Bruder brauchte ich auch nicht mehr. Schon lange nicht mehr…
„Quil“, flüsterte ich, meine Stimme klang heiser. „Kannst du mich jetzt endlich küssen?“
Im ersten Moment wirkte er überrascht, dann legten sich seine Hände um mein Gesicht und er neigte den Kopf.
Seine Nase stupste ganz sanft an meine, seine warmen, so warmen Hände nahmen mir die Nervosität und als er schließlich zögerte, stellte ich mich auf die Zehenspitzen und drückte meine Lippen auf seine.
Quil war von Natur aus wärmer als alle Menschen, die ich je berührt hatte.
Im Sommer war es manchmal so schlimm, dass ich ihn nicht anfassen konnte – dann hatte er immer so betrübt gewirkt, als hätte ich ihn abgewiesen.
Heute war mir die Hitze willkommen, denn sie half sehr viel besser als der Kamin, der in der Ecke vergnügt vor sich hin knisterte.
Wie erstarrt verharrten unsere Lippen in diesem Moment und viel zu schnell löste sich Quil wieder von mir.
Seine dunklen Augen blinzelten heftig und er sah auf meine Lippen hinunter, als könnte er nicht glauben, was er gerade getan hatte.
„Was ist?“, fragte ich, halb im Scherz. „War’s so schlimm?“
„Nein“, kam die Antwort prompt und sehr nachdrücklich. „Claire, ich…“
Ein Rumpeln vor der Haustür ließ mich zusammen zucken.
Na klar, nur mich, denn Quil hatte eine halbe Sekunde vorher schon den Kopf gewandt.
Sein Gehör war einfach unheimlich.
Und dann hörte auch ich die bekannte Stimme hinter der Tür.
„Oh mein Gott – das waren die Kerzen.“
„Nessy, hör auf an den Dingern rumzureißen. Das macht es jetzt auch nicht besser.“
Quil sah mich an. Eine Augenbraue wanderte empor. „Jacob und Renesmee?“
Ich nickte ein bisschen verärgert.
Die beiden waren zu früh. Viel zu früh!
Die Stimmen hinter der Tür verstummten und dann rief Nessy nachdrücklich.
„Hallo Claire, hallo Quil! Hier draußen ist es ein bisschen kalt.“
Seufzend machte ich mich von Quil los und drehte mich zur Tür.
Dann überlegte ich es mir jedoch noch einmal anders, machte einen Schritt zurück und küsste ihn schnell.
Er wollte mir folgen, aber ich sprang zur Tür und machte auf.
Sonst würden die beiden da draußen vielleicht noch erfrieren.
Renesmees goldene Augen waren das erste was ich sah, riesengroß und kugelrund.
„Es tut mir leid, Claire. Wirklich“, sagte sie und dann sah sie zu Boden.
Der Adventskranz in ihren Händen hatte wohl ein Leck gehabt, denn durch das Loch in der Mitte hatte sich all das flüssige Wachs verabschiedet.
Zwei der vier Kerzen waren ausgegangen, die anderen beiden schwankten in Nessys Griff.
Es hatte sich über ihre Turnschuhe und die Stufen der Treppen ergossen und war auf dem kleinen Willkommensteppich gelandet.
Allerdings schien mir das jetzt irgendwie egal zu sein.
Die Endorphine drehten in meinem Blut Pirouetten und ich strahlte Nessy an.
„Kein Problem.“ An ihren riesigen Begleiter gewandt sagte ich nur. „Hi, Jake.“
Sein Blick klebte an Quil und er grinste so breit, als hätte er Röntgenaugen und wäre schon früher hier gewesen, als ich gedacht hatte.
Mit einer Hand zupfte er an Nessys Haar, das im letzten Jahr einen silbrigen Ton angenommen hatte.
„Ich glaube, wir sind hier unerwünscht.“
Nessy sah ihn an. Dann grinste sie fast genauso breit. „Oh. Ja, das glaube ich auch.“
Mir stieg die Röte ins Gesicht und hastig hob ich die Hände.
„Nein, nein. Kommt ruhig rein. Wir waren gerade dabei … äh … den Baum zu schmücken.“
„Richtig“, bestätigte Quil hinter mir, doch ich konnte ganz klar ein verräterisches Grinsen in seiner Stimme hören.
Über die Schulter hinweg sah ich ihn böse an, aber sein Blick war so intensiv und seine Haltung so aufgeladen, dass es mir jedes Wort verschlug.
Es wirkte, als würde noch mehr Hitze von ihm ausgehen als sonst und als sei eine uralte Anspannung von ihm abgefallen.
„Eigentlich“, begann Renesmee, „wollten wir dir nur kurz den Kranz vorbei bringen und fragen, ob ihr mitkommt zu den Uleys. Jacob soll für Amanda und Sam den Weihnachtsmann spielen.“ Sie klopfte Jake auf die Schulter, doch der wirkte alles andere als begeistert.
„Sie haben nur keinen anderen von den Jungs gefunden, der sich freiwillig vor die Kinder stellt und riskiert, dass sie ihn den ganzen Tag nicht mehr los lassen.“
Renesmee lachte und einmal mehr lauschte ich gebannt ihrem hellen Lachen.
Ihr Blick war so hell und leuchtend, dass Jake seine mürrische Maskerade vergaß und breit grinste.
Was auch immer zwischen Quil und mir war, Jacob und Renesmee hatten eine ganz … ähnliche Beziehung.
Und irgendwie auch wieder nicht.
„Na klar kommen wir mit“, antwortete Quil für mich, als sich der Moment der Stille in die Länge zog. „Ich will doch nicht verpassen, wie Sam Junior dich anknurrt.“
Jake lachte und berührte Nessys Hand ganz kurz, was sie automatisch näher an ihn heranrücken ließ.
„Ich dachte, ich höre nicht richtig, als der kleine Knirps das versucht hat. Aber er kommt eben ganz nach seinem Vater.“
„Ich hole nur schnell meine Jacke, dann können wir los“, warf ich ein und bedachte Jake und Nessy mit einem boshaften Blick. Die beiden trugen nämlich nicht viel mehr als eine dünne Jacke zum Schein.
Ich wusste, dass sie eigentlich weniger brauchten, genauso wie Quil, und fühlte mich plötzlich ausgeschlossen.
Dann jedoch tauchte ein Bild vor meinem inneren Auge auf: ich und Renesmee beim Einkaufen, Quil, der ohnehin immer bei mir zu sein schien. Der Ausflug in den Zoo im letzten Jahr, bei dem wir schon nach einer halben Stunde wieder zu Hause gewesen waren…
Nessy lächelte mich an und umarmte mich kurz, so als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Wir gehen schon mal vor, in Ordnung?“
Ohne auf unsere Zustimmung zu warten, griff sie nach Jakes Arm und legte gleichzeitig den Adventskranz auf dem Boden neben der Treppe ab.
Die beiden waren so schnell aus dem Raum verschwunden, dass ich ihnen verdattert hinterher sah.
Ein paar Minuten später liefen Quil und ich schweigend nebeneinander her, auf dem Weg zu den Uleys.
Die ganze Zeit schwirrte mir unser Kuss in den Gedanken herum und ich spürte durch Handschuhe und Jacke hindurch die Hitze meines besten Freundes, der vollkommen entspannt neben mir herlief.
„An was hast du vorhin gedacht?“, fragte ich schließlich leise und starrte auf meine Füße, die beinahe ganz im Schnee versanken.
Die Schatten im Wald waren dicht und es wurde jetzt immer dunkler, weil sogar die hellen Schneewolken verschwunden waren.
Quil stieß ein halb lachendes, halb resignierendes Geräusch aus und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
„Ich glaube nicht, dass du dich noch daran erinnern kannst, aber…“ Er musste lachen und senkte den Kopf, um den Schnee hoch zu schnicken.
„Als du gerade drei Jahre alt geworden bist, haben wir am Meer gespielt. Mit bunten Bauklötzen. Und du wolltest unbedingt den einen haben, hast mir aber nicht gesagt, welcher das ist. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass es so weiter geht.“
Ich wartete auf seine Erklärung, denn ich verstand kein Wort von dem, was er mir da gerade zu sagen versuchte.
Quil griff nach meiner Hand und wir blieben unter den schneeverhangenen Tannen stehen, in der Ferne konnten wir schon ein seichtes, gelbes Licht sehen.
Also waren wir wohl schon fast in Hörweite.
„Du hast mir einen Hinweis gegeben.“ Er sprach leise und sein Lächeln wollte einfach nicht verschwinden. „Erst musste ich alle Farben durch raten, dann hast du mir erst gesagt, welcher es sein könnte. Und so war es die ganze Zeit.“
„Das verstehe ich nicht“, antwortete ich ehrlich verwirrt und viel zu fasziniert von seinen glühenden Augen.
Ich wollte ihn noch einmal küssen.
Genau hier unter diesen Tannen.
Als sich unsere Finger verschlangen, als wäre es das natürlichste auf der Welt, fluchte ich innerlich über die blöden Handschuhe.
Zwar konnte ich immer noch Quils Wärme spüren, aber ich wollte seine braune Haut fühlen.
Ich blickte von unseren Händen auf und sah, dass Quil mir ganz nahe gekommen war.
„Du sagst mir nie, was du haben willst. Du gibst mir immer nur Hinweise. Die ganze Zeit.“ Wieder stupste er mit der Nase an meine, grinste leicht, als ich ihm folgen wollte, er sich aber entzog. „Und deshalb dauert es immer so lange.“
„Aber jetzt weißt du es ja, oder?“
Seine Lippen streiften meine, nur ganz kurz und ich knurrte unwillig.
Er knurrte zurück, halb lachend, und es klang tief und vibrierend.
Und es schwang so viel Erleichterung darin mit, als hätte er bis zum letzten Moment geglaubt, dass es nicht so war. Das ich ihn nur als Freund oder als Bruder ansah.
Ich griff mir die Aufschläge seiner Jacke und hielt mich an ihnen fest, als ich die Dinge selbst in die Hand nahm und ihn ein zweites Mal küsste.
Diesmal verharrte er nicht reglos und es war noch besser, noch schöner.
Bis wir aus der Ferne ein Quietschen und ein darauffolgendes lautes Krachen hörten.
Quil zog mich noch einmal kurz an sich, ehe er sich mit einem bedauernden Blick von mir los machte.
„Ob wir das wohl irgendwann auch noch mal ohne Störung hinkriegen?“, fragte ich, nun wirklich ein bisschen enttäuscht und ließ mich zurück auf die Fersen sinken.
„Wir haben Zeit“, war Quils gut gelaunter Kommentar und sein Lächeln steckte mich an.
Händchenhaltend liefen wir noch ein Stück weiter in Richtung Sams Haus, doch schon bald konnten wir erkennen, was da eben so geknallt hatte.
Sam Uley stand in seinem dunklen Garten, die Augen zu Schlitzen zusammen gekniffen und den Kopf erhoben, die Tür der Veranda schwang hin und her.
Ich konnte sogar aus der Entfernung sehen, wie er die Hände zu Fäusten geballt hatte und seine Nasenflügel bebten.
Anspannung lag von einer Sekunde auf die andere in der Luft.
„Was ist mit ihm?“, fragte ich Quil und ging näher an ihn heran. „Onkel Sam?“
Sein Kopf drehte sich zu uns herum und seine Schultern senkten sich ein bisschen, auch wenn das ein schwacher Versuch war, die Anspannung zu kaschieren.
„Claire, Quil, hallo. Jacob und Renesmee sind schon drinnen.“
Ich runzelte die Stirn. „Und was machst du dann hier draußen?“
Langsam blickte er wieder zurück in den Wald und fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht.
Sein Seufzen war leise, aber zu hören.
„Quil“, sagte er dann und hob ruckartig den Kopf. „Könntest du heute eine Ausnahme machen?“
Ich spürte, wie er neben mir mit den Schultern zuckte. „Klar.“
„Danke. Jacob wird hier bleiben und auf unsere Familie aufpassen.“
Mit diesen Worten setzte er sich in Richtung Waldrand in Bewegung und verschwand mir nichts, dir nichts zwischen den Bäumen.
„Äh…“, setzte ich an, als Quil meine Hand los ließ und seine Jacke auszog. „Was war das denn? Und was wird das?“
Denn der Jacke folgten auch das T-Shirt und die Schuhe und landeten im Schnee.
„Könntest du das mit rein nehmen?“, fragte Quil und nickte auf seine Klamotten. „Ich bin in einer halben Stunde wieder da.“
„Wo willst du denn hin? In die Sauna?“ Ich klaubte die Klamotten auf und hörte von innen schon Jacob im verstellten Weihnachtsmannton mit einer quietschenden Amanda reden.
Quil lachte und zupfte an einer meiner Haarsträhnen, so wie Jake es vorhin bei Renesmee getan hatte.
„Nein, ich muss nur kurz jemanden mit Sam begrüßen gehen.“
Ich hob eine Augenbraue. „Mitten im Wald? Halb nackt?“
Er nickte und dann zog er auch noch die Hose aus.
„Die Cullens kommen zu Besuch.“
Und im nächsten Moment zerriss es Quil in der Luft, er wurde größer und dann stand ein schokoladenbrauner Wolf vor mir.
Oh… Gott.
Beinahe fielen mir Quils noch warme Klamotten aus den Händen.
All die Legenden waren wahr, jede einzelne von ihnen!
Alles, was Quil mir über die Quileute erzählt hatte, ihr Tier, der Wolf.
Warum zeigst du’s mir nicht, wenn ihr euch doch in Wölfe verwandeln könnt?, hatte ich ihn einmal vorwurfsvoll gefragt, als er wieder damit angefangen hatte.
Wir können uns nur nicht verwandeln, weil Renesmee ein halber Mensch ist. Das reizt uns nicht genug um zum Wolf zu werden. Es müssen richtige Vampire sein.
Ich hatte ihnen weder geglaubt, dass Renesmee eine halbe Vampirin sein sollte, noch dass sie Werwölfe waren, aber ich hatte von Anfang an nicht bestreiten können, dass ihnen allen etwas Merkwürdiges anhaftete.
Die Hitze, ihr gutes Gehör, Renesmees Augen…
„Ihr seid wirklich Wölfe“, brachte ich hervor und musste an all die anderen Stämme denken, die ebenfalls ein Tier als Totem hatten.
Ob sie sich auch alle verwandeln konnten?
Ich glaubte, dass Quil lächelte.
Er war riesig, aber wunderschön.
Wie ein wahr gewordenes Kuscheltier…
Sanft stieß er seine riesige, kalte Nase gegen meine Hand und als ich sie rein aus Reflex hob um ihn zu streicheln, presste er den Kopf an meine Seite.
Es war ein magischer Moment. Der ganze Tag war magisch gewesen.
Und so aufschlussreich, dass mir der Kopf schwirrte.
„Beeil dich“, flüsterte ich meinem Wolf zu, als er sich umdrehte und ebenfalls im Wald verschwand. Er hatte mich gehört, das wusste ich.
Er hatte mich die ganze Zeit gehört und dieser Schuft hatte auch immer gewusst, dass er mehr für mich war als ein Bruder.
Aber er hatte sich bis heute Zeit gelassen…
„Einen frohen Nikolaustag“, sagte hinter mir eine melodiöse Stimme.
Ich drehte mich zu Nessy um, noch ganz in Gedanken, und sagte im besten Plauderton. „Deine Eltern kommen zu Besuch?“
Einen Moment Stille, dann stöhnte Jacob im Haus laut und griesgrämig auf, gefolgt von zwei kleinen, krähenden, Amanda und Sam Echos.
Einen frohen Nikolaus Tag!
Snowhoney&Munderoon

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